Das Pferseer Schlössle

von Dr. Peter Seyboth

Sagen und Geschichten ranken sich um das Pferseer Schlössle, auch von einem geheimnisvollen unterirdischen Verbindungsgang nach Schloß Wellenburg berichten alte Pferseer Kein Wunder, soll doch an der Stelle des heutigen Schlössle bereits im 12. Jahrhundert das gefürchtete Raubrittergeschlecht "milites de Pfersee" ihre Burg gehabt haben, von der sie ihre Raubzüge unternahmen, Unser Stadtteil soll in seiner frühesten Zeit ein ganz gefährliches Nest gewesen sein, von dem Bauern und Edelleute weit über Augsburg hinaus nicht sprachen, ohne sich bei Nennung des Namens "Pfersee" dreimal zu bekreuzigen. Ungesicherten Erkenntnissen zufolge soll dieser Brauch in jüngster Zeit von Mitgliedern des Augsburger Stadtrates wieder eingeführt worden sein.

Wildester Vertreter der gefährlichen Ritter war seinerzeit "Hermann von Pferesee", auch genannt "Schröck von Pferesee". Kein Hof war vor ihm sicher und "ni niht ein wip". "Hemdärmlig und schurzledern" sei er auf der Erd aufgefahren, habe wie ein  "düfel" gehaust und die Herren totgeschlagen,  während  seine  Spießgesellen die mit Waren beladenen Wagen in ihr Waldversteck nahe dem heutigen Radegundis gebracht haben sollen. Heinrich VII. sprach schließlich 1309 die Reichsacht über den ,,Ritter von Pferesee Hermann" aus. Drei Jahre später wurde man tatsächlich des schrecklichen Gesellen habhaft und Graf Konrad von Kirchberg saß streng über ihn Gericht. Hermann wurde geläutert, tat Buße und stiftete seine Habe für fromme Stiftungen. 1327 schließlich starb der gefürchtete Landschreck. Kurios jedoch, bereits im Jahre 1285 - also noch während seiner besten Zeit als "Landschröck" - hatte Hermann sein Pferseer Domizil an den Bischof von Augsburg verkauft.
Das Dorf Pfersee ging 1330 in Besitz des Augsburger Kaufmannes Conrad Ohnsorg, der gleichzeitig die Burg vom Augsburger Bischof als Pfand erhielt. Im Lauf der nächsten Jahrzehnte wechselte Dorf und Burg häufig den Besitzer. So manche Pferseer Straßennamen wie Kobold, Kazböck oder Ohnsorg erinnern an die damaligen Besitzer.
Wie allerdings die damalige Burg aussah, wissen wir nicht, als Bauherr des heutigen Schlössle wird Martin Zobel (1530 - 1584) genannt. Von 1682 bis zur Säkularisation gehörte dann das Schlössle der Augsburger Jakobspfründe. 1802 wechselte es in den Besitz der bayerischen Krone, und der Landgerichtsbezirk   Göggingen richtete ein Finanzamt in dem Haus ein. Dieser Zustand hielt bis 1826 an, dann ging der Handel mit dem Schloß schwunghaft weiter. Letzter privater Besitzer war General Freiherr Spruner von Mertz, dessen Familienwappen noch heute über der Eingangstür zu sehen ist.
Im Jahr 1882 übernahm die Gemeinde Pfersee das Schlössle und richtete in dem Gebäude ein Kranken- und Armenhaus ein. Daran änderte sich auch nichts, als 1911 das Gebäude mit der Eingemeindung von Pfersee der Stadt Augsburg zufiel. Bis zum Jahr 1963 diente das Haus als Krankenanstalt, zuletzt in späteren Jahren für Lungenkranke.
Mit Auflösung des Tbc-Krankenhauses wurde das angebaute Schwesternhaus dem Stadtjugendring als Jugendzentrum - heute Jugendhaus Pfersee - zur Verfügung gestellt. Der historische Gebäudeteil jedoch diente der Pferseer Jugend als Abenteuerspielplatz und so manchem Obdachlosen als heimliche Schlafstätte. So wurde mit dem Kulturerbe nicht gerade pfleglich umgegangen, und einmal konnte das Haus nur knapp vor dem Feuerteufel gerettet werden. Mit vermauerten Fenstern und Eingängen versuchte man schließlich die Bausubstanz zu sichern nach außen hin bot das Haus mit seinem seltsam gekappten Dach und seiner abweisenden Fassade einen erbärmlichen Anblick. Vorschläge, in dem Haus ein Altenheim oder ein Polizeirevier zu installieren, verliefen ebenso im Sande, wie die Idee, in dem Haus die Abteilung ,,Vor- und Frühgeschichte" des Landesamtes für Denkmalpflege  unterzubringen.
Als im Jahr 1978 die Stadt Augsburg den ehemaligen Garten des Schlosses in einen der Öffentlichkeit zugänglichen ,,Bürger-park" umwandelte, ergab sich zwangsläufig die Frage, wie mit der Schlössle-Ruine weiter umzugehen sei. Von einer Nutzung als Bürgerhaus sprachen die ,,Pferseer Nachrichten", ein Mitteilungsblatt der Augsburger SPD. Zu diesem Zeitpunkt wurde auch der Vorschlag diskutiert, ein ,,Haus des Ostens" mit verschiedenen Heimatstuben im Schlössle einzurichten.
Allerdings fand die Idee eines Bürgerhauses für den Stadtteil in Pfersee zunehmend Resonanz und führte schließlich im Jahr 1982 zur Gründung der "BÜRGERAKTION PFERSEER SCHLÖSSLE". Leider sah sich die Stadt im Verlauf der Verhandlungen aus finanziellen Gründen nicht in der Lage, ein Bürgerhaus im Schlössle zu realisieren. Für einen relativen geringen Betrag - von ca. 350.000 DM war seinerzeit die Rede -wechselte die Ruine wieder einmal ihren Besitzer und ging in die Hände eines größeren Bauträgers, der das Schlössle als repräsentative Adresse für Praxen und Geschäftsräume anbot. Allerdings konnte die BÜRGERAKTION PFERSEER SCHLÖSSLE eines dabei erreichen: Die Stadt Augsburg versuchte den Verkauf dadurch zu kompensieren, daß sie in unmittelbarer Nachbarschaft auf einem anderen städtischen Grundstück das Bürgerhaus Pfersee errichten ließ. ,,Für den Stadtteil Pfersee müssen wir etwas tun", überzeugte damals Oberbürgermeister Hans Breuer seine Stadtratskollegen bei der Entscheidung für das Bürgerhaus.
Ein Jahr nach Eröffnung des Bürgerhauses Pfersee ging 1990 mit Renovierung des Pferseer Schlössle ebenfalls ein Ziel der BÜRGERAKTION  und  der Wunsch vieler Pferseer in Erfüllung. Im neuen Glanz und mit wiederhergestelltem  Dachstuhl erstrahlt heute der Renaissancebau inmitten des alten Baumbestandes. Mit mehreren Arztpraxen, Büroräumen und auch einer Wohnung ist wieder Leben in das Haus gezogen. Allerdings ist es am Abend rund um das Schlössle schon ein bißchen tot. Hier fehlt das Leben, das mit einer öffentlichen Nutzung des Gebäudes, selbst wenn sich diese nur im Erdgeschoß abspielen würde,  dem Bürgerpark zu einer größeren Attraktion verhelfen hätte können. So steht die ehemalige Burg von Hermann dem Schrecklichen - vom Park mit einem einfachen Maschendrahtzaun  getrennt dunkel und etwas abweisend inmitten der grünen Lunge von Pfersee.